Pro-Life, Kapitel 1: Warum reden wir über Abtreibung? (Why Pro-Life? Chapter 1, Why Talk About Abortion?)

Kapitel 1

Warum reden wir über Abtreibung?

Vor Jahren sprach ein Vertreter der inzwischen um  benannten National Abortion Rights Action League (1) in einer nahe ge  legenen High School über den Nutzen der Möglichkeit, abtreiben zu können. Ein Schüler fragte den Lehrer, ob ich kommen dürfe, um die Pro-Life-Position zu vertreten. Als ich eine Woche später eintraf, informierte mich der ProChoice-Aktivist darüber, dass sich die Schüler mit dreiundzwanzig zu eins für die Pro-Choice-Ansicht ent schieden hätten.

Ich präsentierte die Sache im Sinne der Humanität und des Rechts der Ungeborenen, wobei ich ihnen Bilder zeigte, die von der Gebärmutter aufgenommen worden waren. Damit demonstrierte ich die Entwicklung der Ungeborenen in den frühesten Stadien, in denen Abtreibungen durchgeführt werden. (Das ist heute sehr viel einfacher, weil man per Ultraschall deutlich zeigen kann, was noch vor einigen Jahrzehnten – als man noch nicht in den Leib der Mütter sehen konnte – von den Verfechtern der Abtreibung be stritten wurde.)

Nach dem Unterricht sagte mir der Lehrer: »Wenn wir wieder abstimmen würden, käme etwas anderes heraus. Das Denken wurde verändert.« Dann fügte er mit einer gewissen Traurigkeit in seinen Augen noch etwas Bemerkenswertes hinzu: »Sie müssen wissen, dass ich heute zum ersten Mal die Argumente der Pro-Life-Leute kennengelernt habe.«

Unsere Schulen rühmen sich, objektiv zu sein und eine ausgewogene, sowie an Fakten orientierte Ausbildung zu bieten. Doch hier stand ein 55 Jahre alter Gemeinschaftskundelehrer, der noch nie etwas von Pro­Life gehört hatte. Er hatte die Pro-Choice-Ansicht (wonach jeder das Recht auf Abtreibung hat) ungeprüft übernommen, und seine Schüler hatten das Gleiche getan – bis sie die Wahrheit sahen und ihr zuhörten.

Der überraschende Trend

Noch vor Kurzem schien es, als würden die jungen Leute in moralischem Relativismus und in der vom Toleranzgedanken getriebenen postmodernen Kultur versinken. Es hatte den Anschein, als würden sie am Ende alle einheitlich für Pro-Choice stimmen. Aber dann passierte etwas. Heute sind in den USA erstaunlicherweise mehr junge Leute gegen die Abtreibung als ihre Eltern.

Eine 2003 von Gallup bei Teenagern durchgeführte Untersuchung fand heraus, dass 72 Prozent glaubten, Ab treibung sei moralisch verwerflich. Nur 19  Prozent glaubten, Ab treibung solle unter allen Umständen legalisiert werden, verglichen mit 26 Prozent der Erwachsenen. Ungefähr 32 Prozent der Teenies meinten im Vergleich zu 17 Prozent der Erwachsenen, man dürfe die Abtreibung niemals erlauben. (2)

Das wurde durch eine nachfolgende landesweite Er- hebung in den USA unterstrichen und durch die Tatsache bestätigt, dass Teenager in den letzten Jahren in großer Zahl am nationalen »Marsch für das Leben« teilnahmen.

Etwa 2010 aktualisierte Gallup seine Untersuchung und titelte: »Die neue Normalität hinsichtlich der Abtreibung: Amerika ist mehrheitlich für Pro-Life« (3). Und 2011 zeigte die Untersuchung von Gallup, dass eine deutliche Mehrheit der US-Amerikaner wünscht, dass die meisten oder gar alle Abtreibungen für illegal erklärt werden: 61 Prozent sind dieser Meinung, nur 37 Prozent vertreten die gegenteilige Ansicht. (4)

Für Jugendliche konzipierte Websites wie The Advocate (5) und Organisationen für jugendliche Aktivisten haben davon berichtet, dass bei Teenagern und jungen Erwachsenen der Widerstand gegen die Abtreibung deutlich an gewachsen ist. (6) Sie haben auch sehr wirksam die Öffentlichkeit über die Gefahren aufgeklärt, die mit der Abtreibung ver bunden sind. (7) Modern aufgemachte Websites erreichen junge Frauen und ermutigen sie, sich für das Leben zu entscheiden. (8) Viele junge Leute lehnen es ab, die in ihrem Kulturkreis ver breitete Verteidigung der Abtreibung zu akzeptieren.

In Pro­Life will ich sachliche, aber auch einfühlsame Gründe darstellen, die die Pro-Life-Bewegung beschreiben und die Berechtigung ihrer Anliegen nachweisen, damit Menschen von ihrer bisherigen Haltung (pro-choice) zu einer lebensbejahenden Perspektive (pro-life) gelangen.

Das bestimmende Thema unserer Zeit

Abtreibung ist der häufigste chirurgische Eingriff bei Frauen in den USA. Das Guttmacher Institute, ein Umfrage- Institut der Abtreibungsindustrie, berichtet, dass vier von zehn Schwangerschaften mit einer Abtreibung enden. (9) Jedes Jahr gibt es in den USA ungefähr 1,21 Millionen gemeldete Abtreibungen, wobei sich die Zahl seit 2000 um acht Prozent verringert hat. (10)

Tatsächlich bleibt bis zu einem gewissen Grad keine Familie von Abtreibung und deren Auswirkungen un berührt.

Es geht in dieser Angelegenheit um außerordentlich viel. Wenn die Haltung von Pro-Choice richtig ist, dann ist die Freiheit, sich für die Abtreibung zu entscheiden, ein grundlegendes bürgerliches Recht. Stimmt aber die Haltung von Pro-Life, dann werden durch die 3315 ärztlichen Ab  treibungen täglich mehr Menschen getötet, als bei der Zerstörung des World Trade Center am 11. September 2001 umkamen. Dabei haben wir die Abtreibungen mithilfe chemischer Mittel, die etwa bei der Verhütung eingesetzt werden, noch gar nicht mitgezählt.

Eine neuerliche Gallup-Umfrage zeigte, dass 27 Prozent der Amerikaner starke Pro-Choice-Befürworter sind, während 22 Prozent genauso überzeugt aufseiten von Pro-Life stehen. Zusammengezählt bedeutet dies, dass 49 Prozent der US-Bürger eine feste Meinung über Abtreibung haben, entweder dafür oder dagegen.11 Die übrigen 51  Prozent haben keine feste Ansicht. Immerhin glauben von diesen »Un  sicheren« die meisten, Abtreibung sei »moralisch ver  werflich«, und 39 Prozent von ihnen befürworten Einschränkungen (außer in wenigen ausgewählten Fällen). Somit schätzt die Mehrheit der US-Amerikaner immer noch das Leben und kann in ihrer Haltung in Bezug auf Ab   treibung beeinflusst werden.

 

Eine christliche Perspektive

Einige christliche Leser mögen denken: »Dieses Buch ist nichts für uns – wir kennen keine Abtreibungen. Das machen nur Leute, die keinerlei Beziehung zur Kirche oder zum Glauben haben.« In Wahrheit aber bezeichnen sich 43 Prozent der Frauen, die abgetrieben haben, als Protestanten, und 27 Prozent weisen sich als Katholiken aus. Somit erfolgen zwei Drittel der Abtreibungen in den USA an Frauen, die einen christlichen Hintergrund haben. Eine von fünf Abtreibungen – also jährlich eine Viertelmillion – wird an Frauen ausgeführt, die sich als wiedergeborene bzw. evangelikale Christen bezeichnen. (12)

Viele jüngere und ältere Frauen, die sich zur Kirche halten, haben abgetrieben. Viele regelmäßige Kirchgänger unter den Männern machten diese Frauen schwanger und zwangen bzw. ermutigten sie zur Abtreibung, oder sie waren sich zumindest mit der Betroffenen hinsichtlich der Ab treibungsabsicht einig.

Abtreibung ist kein Thema, über das die Kirche mit der Welt reden muss. Es ist vielmehr ein Thema, das sie zuerst einmal in den eigenen Reihen aufgreifen muss, bevor sie sich an die Welt wenden kann.

Obwohl ich ein Christ bin, werde ich im Hauptteil dieses Buches nicht viele Argumente aus der Bibel heran ziehen. (Das habe ich an anderer Stelle getan, (13) und ich werde auch im Anhang dieses Buches mit der Bibel argumentieren.) Was ich hier präsentiere, beruht auf medizinischer Wissenschaft und auf vertrauenswürdigen psychologischen Studien. Diese Quellen sollten jedem wahrheitsliebenden Agnostiker oder Atheisten genauso glaubwürdig erscheinen wie einem Christen.

Ich halte sehr viel von den Rechten der Frau und empfinde große Hochachtung für meine Frau und meine Töchter, die wir zur Selbstachtung und zu einer dankbaren Haltung gegenüber Gott erzogen haben, der sie als weibliche Wesen schuf. Ich möchte auch nicht die Schmerzen kleinreden, die Frauen im Entscheidungsprozess für oder gegen eine Abtreibung durchlitten haben. Niemand versteht das Leid so wie Jesus Christus, der voller Gnade und Wahrheit ist. In Kapitel 19 ist von Gottes Vergebung die Rede, die ich genauso wie jeder andere nötig habe.

Dieses Buch bietet Fakten und Logik, durchmischt mit Gnade und Mitgefühl. Nur das kann uns helfen, unsere Denkmuster und Überzeugungen auf Wahrheit zu gründen.

Meine Bitte an die Leser

Falls Sie für Abtreibungen sind und gerade das vorliegende Buch mit dem Titel Pro­Life lesen, dann freut es mich für Sie. Ich hoffe, dass es Unvoreingenommenheit be  deutet. Falls sich die Pro-Life-Seite als so sinnlos und irrational erweist, wie Ihnen vielleicht in der Vergangenheit bei gebracht wurde – nun, dann mag sie einfach der Verachtung preisgegeben werden, die sie verdient. Wenn sie sich aber als vernünftig erweist, möchte ich Sie ermutigen, Ihre Position zu überdenken.

Sollten Sie zu den 50 Prozent Unentschiedenen mit wechselnden Empfindungen gehören, dann bitte ich Sie, dass Sie dieses Buch zu einem Begleiter auf Ihrer Suche nach Wahrheit werden lassen. Die Ansichten der Pro-ChoiceLeute können Sie überall vernehmen; Sie brauchen nur den Fernseher anzuschalten oder in die Zeitung zu blicken. Wenn Sie sich aber nicht genauer über andere Standpunkte in formieren als die meisten Leute, dann ist dieses Buch vielleicht die einzige Möglichkeit, die Haltung von Pro-Life kennenzulernen.

Sind Sie aber für Pro-Life, dann bitte ich Sie ebenfalls, über Ihre Einstellung nachzudenken. Es reicht nicht zu sagen: »Ich weiß, dass ich auf der richtigen Seite bin, aber mir ist nicht klar, warum.« Wir sollten unsere Ansichten auf Beweise gründen. Wenn wir an irgendeinem Punkt falsch denken, sollten wir um alles in der Welt unsere Meinung ändern. Liegen wir aber richtig, dann müssen wir lernen, wie wir andere Leute auf intelligente und freundliche Weise informieren können.

Eins ist sicher: Wenn Abtreibung wirklich Kinder umbringt und Frauen Leid zufügt, dann steht zu viel auf dem Spiel, um still zu bleiben und nichts zu tun.

 

Footnotes

1 A. d. Ü.: Svw. »Nationale Aktionsliga für das Recht auf Abtreibung«.

2 »Gallup: 72 % of Teens Say Abortion Wrong« (A. d. Ü.: »72 % der Jugendlichen sagen, Abtreibung ist falsch«), WorldNetDaily, 24. November 2003;  http://www.wnd.com/?s=gallup+teens+say+abortion+ (abgerufen am 19. 9. 2014).

3 Lydia Saad, »The New Normal on Abortion: Americans More ›Pro-Life‹«, Gallup Politics, 14. Mai 2010; http://www.gallup.com/poll/128036/New-Normal-AbortionAmericans-Pro-Life.aspx (abgerufen am 19. 9. 2014).

4 Steven Ertelt, »Gallup Poll: Americans Want All or Most Abortions Illegal«, LifeNews, 23. Mai 2011; http://www.lifenews.com/2011/05/23/gallup-poll-americanswant-all-or-most-abortions-illegal/ (abgerufen am 19. 9. 2014).

5 The Advocate, Live Action; http://liveaction.org (abgerufen am 19. 9. 2014).

6 David Schmidt, »Polling Data: America’s Youth Becoming Pro-Life«, Blog auf der Website von Live Action, 15. Mai 2010; http://liveaction.org/blog/polling-dataamericas-youth-becoming-pro-life/ (abgerufen am 19. 9. 2014).

7 Live Action, »The Mona Lisa Project«, http://liveaction.org/monalisa (abgerufen am 19. 9. 2014).

8 Siehe z. B. http://www.standupgirl.com (abgerufen am 19. 9. 2014).

9 Guttmacher Institute, »Facts on Induced Abortion in the United States«, August 2011; http://guttmacherinstitute.org/pubs/fb_induced_abortion.html (ab    gerufen am 19. 9. 2014).

10 Ebenda.

11 Lydia Saad, »Americans Still Split along ›Pro-Choice‹, ›Pro-Life‹ Lines«, Gallup Politics, 23. Mai 2011; http://www.gallup.com/poll/147734/Americans-SplitAlong-Pro-Choice-Pro-Life-Lines.aspx (abgerufen am 19. 9. 2014).

12 Rachel K. Jones, Lawrence B. Finer und Susheela Singh, »Characteristics of U.S.  Abortion Patients, 2008«, Guttmacher Institute, Mai 2010; http://www. guttmacher.org/pubs/US-Abortion-Patients.pdf (abgerufen am 19. 9. 2014).

13 Randy Alcorn, ProLife Answers to ProChoice Arguments, Sisters, OR: Multnomah, 2000.

Photo by Colin on Unsplash

Randy Alcorn (@randyalcorn) is the author of over sixty books and the founder and director of Eternal Perspective Ministries